Ein Jahr nach dem Erdbeben:
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Linguizid und Resilienz der kurdischen Sprache
Foto von Rebaz Majeed
Der Boden bebt nicht mehr, aber die kurdische Sprache ist weiterhin gefährdet.
چیتر زەوی نالەرزێ، بەڵام زمانی کوردی لە مەترسیدا ماوەتەوە.
Êdî erd naheje, lê zimanê kurdî di bin xeterê de ye.
Obwohl das Erdbeben in der Türkei und Syrien aus dem Jahr 2023 schon lange aus den Nachrichten verschwunden ist, dauern die tödlichen Auswirkungen der Sprachgewalt in den kurdischen Gemeinden – die dieser Naturkatastrophe vorausgingen – bis heute an.
Bei dem Erdbeben in der Türkei und in Syrien im vergangenen Februar kamen über 50.000 Menschen ums Leben, mehr als 15,7 Millionen Menschen wurden verletzt, vertrieben oder obdachlos, und über 345.000 Häuser, die überwiegend Kurd*innen in der Osttürkei und in Nordsyrien gehörten, wurden zerstört.
Sofort wurden Nothilfen für die betroffenen Gemeinden bereitgestellt und in mehrere Sprachen übersetzt –größtenteils jedoch nicht ins Kurdische, obwohl die mehrheitlich kurdischen Regionen von dem Erdbeben am stärksten betroffen waren. Kurdischsprachige Gemeinden hatten kaum Zugang zu wichtigen Informationen oder Nothilfen in ihrer Muttersprache.
Diese Sprachgewalt ist lediglich eine aktuelle Erscheinungsform jahrzehntelanger Sprachgewalt gegen kurdische Gemeinden in ganz Kurdistan.
Als Reaktion auf den Mangel an kurdischsprachigen Ressourcen nach dem Erdbeben begann das kurdische Team von Respond, die betroffenen Gemeinden zu kontaktieren und ihnen Unterstützung anzubieten. Neben der direkten Arbeit, um sicherzustellen, dass dringend benötigte Hilfsmittel und Ressourcen in verschiedenen kurdischen Dialekten zur Verfügung stehen, startete Respond ebenfalls ein Projekt, um den andauernden Linguizid der kurdischen Sprache zu erforschen.
Das kurdische Team von Respond führte Interviews und sammelte Geschichten über die weitreichenden Auswirkungen der Sprachgewalt gegen Kurd*innen in allen Regionen Kurdistans, von Rojava und Rojhelat bis hin zu Bakur und Bashur (beziehungweise dem von Syrien, dem Iran und der Türkei besetzten Kurdistan bzw. der halbautonomen Region Kurdistans innerhalb des international anerkannten Staates Irak).
In dieser Serie stellen wir die Geschichten verschiedener Kurdisch sprechender Menschen in Kurdistan und der Diaspora vor. Wir decken die Schwierigkeiten und Hürden auf, denen sich kurdischsprachige Menschen während des 2023 Erdbebens und anderer Katastrophen ausgesetzt waren. Wir untersuchen den Zusammenhang zwischen der kurdischen Sprache und kurdischer Identität und tauchen in die Geschichte anti–kurdischer Politik und des kurdischen Völkermords ein, die zu diesen jüngsten Ereignissen führte. Es dreht sich auch um Diskriminierung und Zwangsassimilierung kurdischer Menschen, um Sprachgewalt in der Schule und um Bemühungen und Forderungen, die Sprache vor dem Aussterben zu bewahren.
Die Aktualität unserer Bemühungen, diese Geschichten und Zeugnisse zu sammeln, kann nicht genug betont werden. Die kurdische Sprache ist weiterhin gefährdet, sowohl durch eine de jure und de facto Staatspolitik, die darauf abzielt, ethnische und sprachliche Rechte zu unterdrücken, als auch durch unaufhörliche Angriffe auf kurdische Gebiete. Während wir diese Einleitung schreiben, leidet Kurdistan weiterhin unter den Folgen der anti-kurdischen Politik. Erst vor wenigen Wochen, Anfang Januar 2024, haben die Regierungen der Islamischen Republik Iran und der Türkei Bashur und Rojava bombardiert, wobei neben vielen anderen ein 11 Monate alter Säugling namens Jîna (Kurdisch für „Leben“) Peshraw Dizayee ums Leben kam. Tragödien wie diese sind nur eine von vielen Arten, wie Kurd*innen systematisch diskriminiert und unterdrückt werden, und über die wir in diesem Projekt gelebter Erfahrungen berichten werden – Systeme, die nicht nur die sprachliche Vielfalt der Region bedrohen, sondern auch die kurdische Identität als solche.
- Raman Salah, Leiter des kurdischsprachigen Teams von Respond Crisis Translation, Februar 2024
Dieses Storytelling-Projekt von Respond Crisis Translation präsentiert die sechsmonatige Recherche von Raman Salah, dem Leiter des kurdischsprachigen Teams von Respond. Wenn Sie sich über das Projekt informieren möchten, wenden Sie sich bitte an raman@respondcrisistranslation.org. Leila Lorenzo, Respond Policy Director, und Ayah Najadat, Leiterin des arabischsprachigen Teams, haben zu diesem Projekt beigetragen.
„Sprache lässt sich nicht auf ein einfaches Mittel zur Kommunikation/Kommunikationsmittel reduzieren; Sprache ist auch die Heimat unserer Existenz. Durch Sprache kann jemand seine oder ihre eigene Existenz spüren. Sprache ist eines der wichtigsten kulturellen Güter, die es der Identität einer Nation ermöglicht, ihre Auslöschung zu überleben.“Sprache lässt sich nicht auf ein einfaches Mittel zur Kommunikation/Kommunikationsmittel reduzieren; Sprache ist auch die Heimat unserer Existenz. Durch Sprache kann jemand seine oder ihre eigene Existenz spüren. Sprache ist eines der wichtigsten kulturellen Güter, die es der Identität einer Nation ermöglicht, ihre Auslöschung zu überleben.“
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